Valley Hunter 712ML im Test – Was kann die schöne Taiwanerin?

Bei der Partnerwahl gibt es einen goldenen Grundsatz: „Verlass‘ dich nie nur auf das Äußere!“ Was aber tun, wenn einen die vielbesungene „Liebe auf den ersten Blick“ erwischt? So ging es mir mit der Hearty Rise Valley Hunter. Ob die interkulturelle Anziehung mit der Taiwanerin Bestand hat oder hat der Test doch unüberbrückbare Differenzen zu Tage befördert?

Gelegenheit zum ersten Kennenlernen gab es auf der Messe Angeln in Duisburg im Januar. Hearty Rise Europe war da mit einem kleinen aber sehr feinen Stand vertreten und nachdem ich Fabian Gräfe schon vorgewarnt hatte, konnte ich die Hearty Rise Valley Hunter 712ML zu einem vergünstigten Testkurs erwerben.



Mehr als ein bisschen zaghaftes Probewedeln und vorsichtiges Befingern war auf der Messe nicht drin. Wenn Werte im Kleinwagen-Bereich um einen herum stehen, wird man eben automatisch ein bisschen vorsichtiger. Dennoch machte auch der Blick auf das Datenblatt Hoffnung, dass diese Verbindung Bestand haben könnte.

Technische Daten - Hearty Rise Valley Hunter - 712ML

Hersteller:Hearty Rise
Serie:Valley Hunter
Modellbezeichnung:VHS-712ML
Typ:Spinning
Länge:2,17m (7,1′)
Transportlänge:130cm – asymmetrische Teilung
Power:ML (Medium Light)
Taper:Fast
Aktion:spitzenbetont, unter Last progressiv
Wurfgewicht:3,5-14g
Empfohlene Schnurstärke:3-10 lb
Blank:99% Kohlefaser
Blankdurchmesser:Tip ~ 1,6 mm / Butt 11,6 mm
Beringung:FUJI Titanium SIC Guides
Rollenhalter:FUJI
Anzahl Ringe:9
Griffmaterial:EVA
Gesamtgewicht:Angabe: 112g / gewogen: 117,72g
Preis:UVP: 299 Euro

Neben der 712ML bietet Hearty Rise die Valley Hunter noch in einer Light-Spinning-Version und zwei Casting-Varianten an (L und M) .

LOOK & FEEL


Unboxing und Verarbeitung

Sieht die Hearty Rise Valley Hunter auf den Produktfotos schon irre gut aus, wird es in natura fast noch besser. Gold, schwarz und dunkles Metall verleihen der Valley Hunter einfach einen extrem edlen Look. In Kombination mit den EVA-Griffen, bleibt der Bling-Bling-Faktor aber im Rahmen und der optische Eindruck, es mit einem edlen Präzisionswerkzeug zu tun zu haben, erhalten. Hearty Rise verzichtet dankenswerter Weise auf übermäßig viel Schrift auf dem Blank und druckt nur die Basisinformationen auf – sehr schön!

  Diashow: Hearty Rise Valley Hunter 712ML

 

Besonders im Griff-Bereich durften sich die Designer austoben und haben der Valley Hunter viele hübsche Details mitgegeben, wozu neben der immens schicken Rollenhalter-Schraube auch die hier optisch aufbereite NET V-III-Blank-Technologie gehört. Doch dazu später mehr.

Knapp oberhalb des mit reichlich Zierrat ausgestatteten Griffteils wird es dann deutlich geschäftsmäßiger und der geschliffene Blank beginnt. Die Ringwicklungen sind sehr sauber und mit einer angemessenen Menge Lack angelegt.

Dass nicht alle Zierwicklungen 100 prozentig bündig abschließen, mag ich nicht als Mangel bewerten, sollte aber bei einer Rute dieser Preisklasse erwähnt werden.

Ist das ein echter Mangel? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

Schwerer wiegt da schon, dass das EVA am aufwendig konstruierten Übergang zum Rollenhalter einen minimalen Überstand aufweist. Das ist insofern etwas unglücklich, als das genau diese Linie beim fischen mittig in der Handfläche aufliegt und der kleine Überstand auf Dauer für Reibung sorgt. Das allerdings im erträglichen Mass.

Ansonsten habe ich auch mit der Lupe keine Mängel gefunden. Während ich mich immer wieder dabei erwischt habe, verträumt an der so angenehm satt laufenden Rollenhalterschraube zu drehen.

Das Futteral ist schick und schlicht.

Geliefert wird die Valley Hunter übrigens im einem feinen Neoprenmäntelchen, das exakt für die unterschiedlich langen Teile der asymmetrischen Rute passt. Typenbezeichnung und ein Anhänger lassen hier keine Wünsche übrig.

Features

Die Valley Hunter ist asymmetrisch geteilt, das Verbindungsstück sitzt also nicht in der rechnerischen Mitte der Gesamtlänge, sondern leicht oberhalb des Startrings. In der Theorie gibt dieses Konzept den Ruten-Designer mehr unversteiften Blank im vorderen Bereich. Und ermöglicht es, eine Rutenaktion mit weniger technischen Einschränkungen zu kreieren.

Beim Blankaufbau setzt Hearty Rise auf SNVC TORAY Kohlefaser. Die äußeren Matten werden in einem dreilagigen Verfahren schräg gegeneinander gewickelt, während die Fasern der Mittelmatte längs zum Blank ausgerichtet sind. Hearty Rise nennt das NET-V III und verspricht – wie alle anderen Hersteller auch – überragende Eigenschaften.

Schaubild Hearty Rise NET-V III

Die Hearty Rise NET V III Technologie im Schaubild.

Ansonsten glänzt die Valley Hunter mit FUJI Titanium SIC Guides, deren ultradünnen Inlays einfach ein Augenschmaus sind.

SETUP


Eigentlich gehört an eine Edelpeitsche ja eine Edelrolle, aber mit der Daiwa Exceler LT 2500 gab es einfach eine optisch so perfekt passende Partnerin im Stall, dass ich mir kurzerhand die weitere Suche erspart habe. Der Balance-Point der Kombi liegt dabei genau am Ende des Foregrips und damit aufgrund des doch recht kurzen Reargrips im erwartbaren und angemessenen Bereich.

Da bislang auch die Performance des Daiwa-Leichtgewichts absolut überzeugt, dürfen die beiden sich weiterhin zusammen bewähren.

Spinnrute aus Daiwa Exceler LT und Hearty Rise Valley Hunter

Exceler LT und Valley Hunter ergänzen sich nicht nur optisch wunderbar.

Bei der Schnur kam zunächst die moosgrüne Climax Touch 8+ in 0,10 zum Einsatz, mittlerweile ist es aber eine Sunline Super PE 8 in orange. Mit 10 lb Tragkraft ist die Schnur am oberen Ende der für die Valley Hunter ML empfohlenen Stärke. Die Tendenz geht aktuell dazu, die neue Sunline Siglon in 8 lb aufzuspulen.

Hearty Rise Valley Hunter mit Daiwa Exceler LT und Sunline Super PE

Passt farblich, ist aber vielleicht eine Spur zu kräftig: Die Sunline Super PE mit 10 lb.

Valley Hunter im Einsatz


Mit Ruten, die für andere Märkte entwickelt wurden, kann es aufgrund anderer Anforderungen schonmal interkulturelle Schwierigkeiten geben. Bei der Entwicklung der Valley Hunter hatte Hearty Rise wohl primär die Jagd auf eine endemische Raubkarpfen-Art namens Spinibarbus Hollandi im Sinn.

Diese Fische werden bis zu 60 cm groß und sind recht kampfstark. Andererseits kommen eher kleine Kunstköder zum Einsatz. Die Anforderung hieß also: Kleine Köder werfen, große Fische mit relativ weichem Maul in starker Strömung drillen.

Zu bewundern ist das für uns eher untypische Angeln hier:

Auch wenn die Valley Hunter nicht für unsere Gefilde entwickelt wurde, heißt das natürlich nicht, dass sie bei uns völlig fehl am Platz sein muss. Bestes Beispiel sind die Eging-Ruten, die sich obwohl für die Angelei auf Tintenfische entwickelt als hervorragende Jig-Ruten entpuppt haben. 

Einsatzgebiete

Gummi-Tauglichkeit

In der Praxis zeigt die Valley Hunter ML, dass der Eindruck nicht getäuscht hat. Kleine Jigköpfe bis 5 Gramm wuppt die Spitze in klassischer Jigruten-Manier ohne Probleme. Darüber (ab 8 Gramm ca.) neigt sich doch recht viel Blank beim Anjiggen gen Wasseroberfläche, und der Arbeitsweg bis zum gewünschten Köderhub steigt.

10 Gramm und ein 3 Inch Köder sind gejiggt oberhalb meines Wohlfühlbereichs.

Über 7 Gramm Kopfgewicht mit 3“ Ködern ist mir das aggressive Jiggen mit der Valley Hunter ML schnell zu mühsam geworden. Faullenzen lassen sich aber auch 10 Gramm mit 3“ Inch noch passabel.

Im oberen WG-Spektrum ist die Valley Hunter eher bei T- und C-Rig in ihrem Element. Das Bullet-Freestyle-1×1 aus Schleifen, Mini-Hüpfern und leichten Twitches beherrscht die ML-Variante dabei für mein Empfinden bis maximal 12 Gramm Gewicht. Dann allerdings bevorzugt mit Ködern, die nicht all zu viel Wasserwiderstand erzeugen.

Im Bereich bis 7 Gramm weist die Valley Hunter ML eine ausgeprägte Spitzenaktion auf.

Die Anforderungen beim Dropshotten erfüllt die Valley Hunter dagegen im Bereich zwischen 7 und 14 Gramm Gewicht mit Bravour, da geht auch noch etwas mehr Gewicht, wenn es sein muss.

Hardbaits

Durch den fixen, aber dennoch nachgiebigen Blank hat die Valley Hunter hier durchaus Kompetenzen. Minnows/Twitchbaits bis maximal 8 Zentimeter liegen ihr recht gut. Auch die Vibrationen und der gefühlte Wasserwiderstand bei tauchenden Crankbaits (bis 5 cm) und bei Spinnerbaits oder größeren Tailspinnern/Vibros liegen im erträglichen Mass und werden durch den langen Foregrip effektiv abgefedert.

Wurfverhalten

Kann man mit der Valley Hunter ML im angegebenen WG-Bereich weit werfen? Ja, man kann. Kann man mit ihr auch Kleinzeug präzise werfen? Auch das geht gut.

Sind die Schleuderleistungen außergewöhnlich? Eher nicht.

Der Blank lädt sich zwar sehr schön auf, aber die aufgenommene Kraft entlädt sich nicht explosiv sondern eher linear. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Wurfverhalten ist völlig in Ordnung, aber eine Sniper-Rute ist die Valley Hunter in meinen Augen nicht.

  Diashow: Biegekurve der Valley Hunter ML unter Last

Rückmeldung und Drillverhalten

Selten habe ich bei der Bewertung der Rückmeldung so schwer getan wie bei der Valley Hunter. Ja, Grundkontakt ist auch auf Distanz gut erfühlbar, aber richtig crisp wird es erst im Bereich unter 20 Metern. Ich will nicht ausschließen, dass die doch rechte dicke Sunline Super PE da ihren Teil beiträgt, aber auch bei der im Vergleich viel dünneren Climax, war die Distanzrückmeldung gedämpft.

Dass die Valley Hunter aufgrund des Griffdesigns keinen direkten Blank-Kontakt ermöglicht, trägt sicherlich auch zu dem teilweise nicht 100% hochauflösendem Feedback bei. Dennoch ist es jederzeit möglich einen Biss von Grundkontakt oder Schnurkontakten von Treibgut zu unterscheiden. Der Anhieb gelingt auch auf Distanz ordentlich.

Dieser Barsch kam auf die ultimative Nahdistanz. Gut, dass der Blank der Valley Hunter ML da sofort mitgearbeitet hat.

Im Drill zeigt sich der Blank recht gutmütig und die beiden vorderen Drittel arbeiten entspannt mit, während hintenraus ein veritables Backbone auch großen Gegner schnell die Grenzen aufzeigt.



Fazit


Ja, was macht man nun mit der schönen Taiwanerin? Die Antwort: Alles. Die Valley Hunter ist aus meiner Sicht eine richtig gute Generalistin, die in vielen Bereich des modernen Spinnfischens Qualitäten hat.  Auf der anderen Seite fehlt halt ein einzelnes Fachgebiet, in dem sie die 300 Euro UVP von der Performance vollends rechtfertigt.

  Stärken & Schwächen – Hearty Rise Valley Hunter 712ML

Dennoch – oder gerade deswegen – fand sich die Valley Hunter bei den letzten Trips immer wie selbstverständlich im Gepäck. Denn es gibt einfach keine Aufgabe für eine ML-Rute, mit der sie nicht fertig würde. Wann immer man also zu Beginn des Angeltags nicht genau weiß, auf welche Methode oder Köderart die Fischlein heute so abfahren, ist man mit der Valley Hunter auf jeden Fall gewappnet.

  Diashow: Alle Bilder der Hearty Rise Valley Hunter 712ML zum Durchklicken

 

Überträgt man die Eigenschaften der Valley Hunter auf eine Fußballmannschaft, dann würde sie wohl im defensiven Mittelfeld agieren. Auch da sind nämlich zweifelsohne Allrounder gefragt. „Des is scho au Qualität“, würde unser Bundes-Jogi wohl sagen, wenn er denn Angler wäre.

Bei den Komponenten und der Verarbeitung ist – bis auf Mini-Mängel beim EVA-Übergang und einer Zierwicklungen – alles top. Beides ist für den Preis absolut angemessen und spricht für Hearty Rise als Hersteller insgesamt.

Zu beziehen sind alle Modelle der Valley Hunter-Serie online bei Premium-Tackle 

 

8.6 Sehr gut

Die Valley Hunter 712ML ereilt ein bisschen das Schicksal vieler Generalisten. Sie performt in vielen Bereichen gut oder zumindest sehr ordentlich, kommt aber nirgendwo an die Eigenschaften echter Spezialruten. In Summe ist sie aber eine außergewöhnlich vielseitige Rute, die neben der wunderschönen Optik auch bei uns mit in vielen Spielarten des modernen Kunstköderangelns überzeugt.

  • Preis-Leistungs-Verhältnis 8
  • Verarbeitung 9
  • Ausstattung 9
  • Performance 8
  • Verfügbarkeit/Service 9

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